
Kadam-Step Up
Der erste Schritt nach oben
Bewegung Bildung für alle
– in Hindi: Sarva Shiksha Abhiyan – nennt sich das Programm der indischen Regierung, Kindern im Alter von 6 bis 14 Jahren Zugang zu kostenloser Pflichtschulbildung zu ermöglichen. Denn: Fast 9 Jahre nach Inkrafttreten des „Rechts auf Bildung“ haben schätzungsweise 16,1% der Kinder dieser Altersgruppe immer noch keinen Zugang zu Bildung und Schule.
Das Kadam-Step Up-Programm von HPPI – „kadam“ heißt in Hindi soviel wie „Schritt“ – versteht sich als Unterstützung der Bemühungen der Regierung um qualitativ hochwertige Grundschulbildung für jedes Kind, insbesondere jedoch für sozial benachteiligte Kinder. Es wendet sich an zwei Gruppen von Kindern:
- solche, die nicht zur Schule gehen können, weil sie mit Lohnarbeit zum Familieneinkommen beitragen, häusliche Pflichten versehen müssen, als Kinder von Arbeitsmigrant*innen nicht über die erforderlichen Papiere für die Schulaufnahme verfügen…
- sowie solche, die zwar eine öffentlichen Grundschule besuchen, infolge ihres sozialen Hintergrunds jedoch erhebliche Lernschwierigkeiten zeigen.
Die ersten Kadam-Step Up-Zentren für Kinder, die keine Schule besuchen, wurden 2014 ins Leben gerufen, um die Lernlücken von Kindern auf der Grundlage engagierter Pädagogik, gezielter Lehrpläne und Unterrichtspraktiken zu schließen.
Leben in Veränderung
Neha baut Gemüse an – Erfolgserlebnis eines „Kadam-Gaspedals“
Neha Rana ist „Gaspedal“1 bei Kadam in Bareilly, einer Stadt mit 900.000 Einwohner*innen im Staat Uttar Pradesh. Sie arbeitet mit mehr als 1.000 Kindern an acht staatlichen Grundschulen, verbessert das Lernniveau, ermöglicht regelmäßigen Schulbesuch und unterstützt „ihre Schulen“ dabei, Kadam-Modellschulen zu werden. 2022 hatte sie die Idee, an der Sekundarschule 2 in der Gemeinde Simra Boripur auf dem Schulgelände einen Küchengarten einzurichten. Der Direktor, Herr Deependra, war skeptisch: Solch ein Garten würde nicht angenommen werden, bald verwahrlosen, wenn man sich nicht darum kümmert, etc. etc. Aber sie könne es ja versuchen; sie werde schon sehen, was dabei herauskommt. Also tat sie es. In Gruppen wurde mit den SchülerInnen über den „Küchengarten“, die Notwendigkeit seiner Einrichtung und seine Vorteile diskutiert. Bald schon begannen diese Gruppen und Kadam-Freiwillige mit der Arbeit, räumten das Gelände auf, legten Beete an und säten aus..
Beim nächsten Besuch an dieser Schule bot sich Reha ein niederschmetterndes Bild: Die Beete waren zertrampelt, die Aussaat zerstört. Sollte der Direktor Recht behalten? Nein! Wieder versammelte sie die Schüler*innen, sie kauften Samen auf dem Markt oder bekamen sie als Spende von den Eltern, pflanzten sie neuerlich ein und die SchülerInnen übernahmen die Verantwortung für die Pflege.
Und es gelang! Und überzeugte alle. Die Schule verwendet nun die Produkte aus dem Gemüsegarten für die Mittagsmahlzeiten der SchülerInnen. Direktor Deependra selbst ließ den Küchengarten mit einem Seil umzäunen und ersuchte das „Gärtner*innen-Team“, um einen weiteren Küchengarten. Neha ermutigt Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern überall dort, wo es möglich ist, Gemüsegärten anzulegen.
1 MitarbeiterInnen, die Projekt-interne Abläufe initiieren und beschleunigen
2 Eine „Composite School“ mit akademischen und nicht akademischen Lehrgängen
Fachwissen insbesondere in Mathematik, Umweltwissenschaften, Hindi und Englisch zu vermitteln und gleichzeitig eine ganzheitliche Entwicklung der SchülerInnen durch eine spezielle Lernmethodik zu gewährleisten. Mittlerweile orientieren sich bereits viele Lehrer*innen an den staatlichen Grundschulen an der Kadam-Methodik und passen ihre Lehrmethoden den spezifischen Bedürfnissen ihrer Schüler*innen bzw. der gesamten Klasse an. Die Schaffung einer ansprechenden Unterrichtsatmosphäre, die sich an den Schüler*innen orientiert, wirkt sich positiv auf die Lernerfolge aus. Kinder, die die Schule nicht besuchen, werden in Brückenkursen auf den Eintritt in eine Regelschule vorbereitet, so lange, bis sie das ihrem Alter entsprechende Wissensniveau erreicht haben; Kinder in staatlichen Schulen werden dabei unterstützt, nicht hinter dem Klassenniveau zurückzubleiben.
Die Kadam-Unterrichtsmethode
Die Kadam-Methodik stärkt die kognitiven Fähigkeiten der SchülerInnen und entwickelt gleichzeitig ihre sozialen, emotionalen und praktischen Fähigkeiten. Diese Verbindung von formalem und praktischem Lernen fördert die Beteiligung und das effektive Engagement der Schüler*innen am Lehr- und Lernprozess. Die Kombination von Analyse und Argumentation mit dem Lernen aus realen Situationen unterstützt die ganzheitliche Entwicklung des Kindes.
Die Unterrichtsmethoden in den Kadam-Zentren sind partizipativ und unterhaltsam, die SchülerInnen lernen spielerisch und sind mit Spaß bei der Sache. Deshalb kommen 78% der Kinder regelmäßig zum Unterricht ins Kadam-Zentrum und beteiligen sich aktiv am Unterricht.
Die Menschen im Projekt
2022 erstreckte sich das Kadam-Projekt auf eine Vielzahl an Gemeinden in den Bundesstaaten Rajasthan, Bihar, Haryana, Chhattisgarh, Uttar Pradesh und Maharashtra und zählte insgesamt 1.532 MitarbeiterInnen: 31 GebietsorganisatorInnen, 56 „Kadam-Gaspedale“1 sowie 1.094 Freiwillige im Bildungswesen sowie 351 Pädagog*innen bzw. Gemeinde-Mobilisator*innen. Sie betreuten 2022 insgesamt 140.375 Kinder, d. s. 148% der Planvorgaben, und zwar 78.493 Kinder (Plan: 50.000), die keine Regelschule besuchen, und 61.882 GrundschülerInnen an öffentlichen Schulen (Plan: 45.000). 8.358 SchülerInnen haben das Kadam-Programm abgeschlossen und beschreiten nunmehr einen weiteren Bildungsweg, während 25.401 (Plan: 29.000)2 Schüler*innen, die in das öffentliche Schulsystem eingegliedert worden waren, nunmehr ihre Ausbildung abgeschlossen haben.
Das Kadam-Programm wurde 2022 an 953 staatlichen Grundschulen umgesetzt. Kadam-Mitarbeiter*innen besuchten die Schulen während des Schuljahres und identifizierten aufgrund von Wissenstests jeweils rund 65 Kinder mit Lernschwäche, die dann in das Programm aufgenommen wurden. Kinder im Kadam-Programm lernen in Trios – Dreiergruppen – und helfen einander, die Lernziele zu erreichen. Solidarisch – und mit Spaß bei der Sache – machen sie einen großen Schritt in Richtung einer guten Zukunft.
1 Vgl. „Leben in Veränderung“
2 Die Kinder in den Kadam-Zentren stammen größtenteils aus Migrant*innenfamilien; sobald sich ihre Familien zur Heimkehr entschließen, müssen sie ihre Ausbildung abbrechen.
/Aus dem Jahresbericht des Projekts an HUMANA Österreich/